Renate Köhler
Bericht in der Nordwest-Zeitung vom 2. November 2020
Jahrelang war Geher Andreas Ritzenhoff vom BTB Oldenburg als Einzelkämpfer in der Region unterwegs gewesen. Seit September hat er nun gleich doppelte Unterstützung durch Stella Peters (22 Jahre) und Renate Köhler (71) bekommen. „Obwohl beide erst seit kurzem dabei sind haben sie schon eine gute Technik und werden in Zukunft sicherlich auch erfolgreich an Wettkämpfen teilnehmen“, freut sich Ritzenhoff und sieht sehr viel Potential bei seinen neuen Mitstreiterinnen.
Während Peters bisher nur die Möglichkeit hatte an einem virtuellen 3000 m Rennen (17:37) teilzunehmen gab Köhler ihr Wettkampfdebüt Mitte Oktober beim diesjährigen Mühltalgehen im thüringischen Eisenberg. Besser hätte das Wettkampf-Debüt als Geherin für die ehemalige Leistungstänzerin dann auch kaum laufen können. Auf einer anspruchsvollen, weil bergigen ca. 500 m langen Runde, lies die W70-Athletin gleich in ihrem ersten 3 km Wettkampf mit einer hervorragenden Endzeit von 22:30 Minuten aufhorchen. Auch wenn die Runde nicht exakt vermessen war so lässt sich doch das große Potential der BTBlerin erkennen. Immerhin war sie fünfzig Sekunden schneller unterwegs als die deutsche W70-Hallenmeisterin von Erfurt, die ihre Zeit auf einer flachen 200 m Bahn gegangen war. Nur eine Stunde später ließ sie dann im Jagdgehen über 1609 m als Gesamtzweite bei den Frauen in 11:37 Minuten ihre erste Podiumsplatzierung folgen. Während viele Sportler aufgrund der Corona bedingten Einschränkungen im Trainingsbetrieb ihrer eigentlichen Sportart zum Laufen gefunden haben zog es die 71jährige zum Gehen. „Um Spaß beim Sport zu haben brauche ich eine Herausforderung und in meinem Alter sind die Möglichkeiten Wettkampfsport zu betreiben schon etwas eingeschränkt“, erzählt die Delmenhorsterin, die obwohl selbst nie in der Leichtathletik aktiv sich schon immer gerne Lauf- und Gehveranstaltungen angesehen hat. „Gehen ist ein technisch sehr anspruchsvoller Sport und ich habe mich schon immer sehr für das Erlernen von Techniken interessiert. Sei es im Sport oder im Handwerk“, berichtet die ehemals freiberuflich tätige Technische Zeichnerin. „Es wird immer wieder behauptet Gehen wäre schädlich für Hüfte und Knie. Das zeigt nur das die Leute sich nicht richtig informieren“, kann sich Köhler ordentlich darüber aufregen, wenn sie mit dieser Aussage konfrontiert wird. Aber so sehr sie sich auch für ihren neuen Sport begeistern kann so bleibt doch der Tanzsport „Ihre“ Sportart Nummer Eins. „ Ich habe mein ganzes Leben lang getanzt. Auch wenn ich nicht im Verein war, irgendwo gab es immer eine Möglichkeit zu tanzen. In meiner Jugend war es noch nicht so üblich das Kinder im Sportverein aktiv waren wie das heute ist. Und als Selbständige und alleinerziehende Mutter fehlte mir einfach die Zeit dazu. Aber körperlich aktiv war ich immer. Sei es beim tanzen oder das ich auf den Baustellen mit angepackt habe. Leitern rauf und runter“, erinnert sich die agile 71jährige zurück. Erst mit 60 Jahren schloss sie sich der Tanzsportabteilung des Delmenhorster Turnvereins an wo sie fünf Jahre lang Standard und Latein getanzt hat. Die letzten zwei Jahre davon war sie zusätzlich auch noch Teil der Standard-Formation. Nachdem diese Formation mangels Tänzer aufgelöst wurde zog es sie weiter zum TV Jahn Delmenhorst für den sie einige Turniere getanzt hat. Als ihr Tanzpartner aus Altersgründen aufhören musste trainierte sie noch ein Jahr lang gemeinsam mit 15-20jährigen bevor sie sich aus dem vereinsmäßigen Tanzen zurückzog. Zwei Jahre lang hielt sie sich im kleinsten Delmenhorster Sportverein Fun Sports Delmenhorst zweimal die Woche mit diversen sportlichen Betätigungen fit bevor auch dies durch Corona ausgebremst wurde. „Wenn schon alt werden dann mit Qualität. Deshalb kam es für mich nicht in Frage mich wegen Corona auf die faule Haut zu legen. Da ich vorher schon nebenbei 2 bis 3x die Woche ca. 8 bis 10 km walken gegangen bin habe im Internet recherchiert und bin so irgendwann auf Andreas Ritzenhoff gestoßen“, erzählt Köhler die sich beim Gehtraining durch Corona nicht eingeschränkt fühlt. „Die Schließung von Sportanlagen ist für mich nicht ganz so dramatisch. Gehen geht immer. Rundherum gibt es schöne Strecken zum trainieren wo es auch mal ein paar ordentliche Steigungen gibt. Seit Mühltal weiß ich ja das es auch mal etwas schwieriger werden kann“, so Köhler die noch ordentlich Luft nach oben bei sich sieht und 2021 gerne ihre ersten Meisterschaften gehen möchte.